Der Bundessprecher*innenkreis (BSK) der Friedensgesellschaft DFG-VK versucht, den Vorstand des Landesverbands Berlin-Brandenburg zu entfernen. Nachdem der Landesverband Kritik an Antisemitismus in der Friedensbewegung geübt hatte, schließt der Bundessprecher*innenkreis alle Mitglieder des Landesvorstands aus. Bei einem Mitglied ist der Ausschluss bereits vollzogen. Die betroffenen Vorstandsmitglieder kündigen an, juristisch dagegen vorzugehen. „Statt inhaltlich auf unsere Kritik an Israelhass in den Bündnissen der Friedensgesellschaft zu reagierieren, schmeißt der Bundessprecher*innenkreis Kritiker*innen lieber einfach in einem undemokratischen Verfahren raus“, sagt Toni Schmitz, Sprecher*in des Landesverbands Berlin-Brandenburg zur angekündigten Klage. „Es ist schade, das der Bundessprecher*innenkreis nun auf die harte juristische Tour lernen muss, dass auch in der Deutschen Friedensgesellschaft demokratische Grundrechte gelten!“
Antisemitismus ist ein Kriegsgrund
In der Satzung der DFG-VK heißt es: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.“ Antisemitismus ist ein Kriegsgrund. Auch deswegen dürfen sich Friedensorganisationen nie mit antisemitischer Hetze gemein machen. Leider verbreiten deutsche Friedensorganisationen trotzdem viel zu oft antisemitische Hetze. Der Landesvorstand der DFG-VK Berlin-Brandenburg kritisiert dies regelmäßig. Deswegen schließt der Bundessprecherinnenkreis der DFG-VK alle Vorstandsmitglieder aus dem Verein aus.
Gerechter Frieden oder antisemitische Hetze?
Hintergrund für den Rauswurf eines ganzen Landesvorstandes ist die Kritik des Berliner Vorstandes an der Mitarbeit des Bundessprecher*innenkreises im Bündnis „Gerechter Frieden“. Diese Bündniss veranstaltete am 18. Oktober 2024 und am 15. Februar 2025 in Berlin Kundgebungen unter dem harmlos klingenden Titel „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel“. Doch der Landesverband Berlin-Brandenburg kritisierte bereits im September 2024, dass das Netzwerk in seinen Aufrufen einseitig Israel die Schuld für den aktuellen Krieg in Nahost gäbe. „Eine solche Verzerrung der Realität führt ganz bestimmt nicht zu einem ‚gerechten Frieden‘“, sagt Toni Schmitz. Stattdessen dämonisierte und delegitimierte das Bündnis auf antisemitische Weise Israel. Eine Demobeobachtung am 18.10.2024 bestätigte die Befürchtungen der Berliner.
Gegenkundgebung gegen Antisemitismus
Da der Bundesverband keinerlei Anzeichen zeigte, konstruktiv mit der Kritik umzugehen, meldete der Landesvorstand Berlin-Brandenburg für den 15. Februar 2025 eine Gegenkundgebung an. In einem Blogbeitrag mit dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus! Warum wir gegen das Netzwerk ‚gerechter Frieden‘ demonstrieren“ kritisierte der Berlin-Brandenburger Landesvorstand auf 10 Seiten und mit mehr als 90 Fußnoten den Aufruf des Bündnisses und recherchierte Beispiele für antisemitische Statements und Verhaltensweisen der Organisationen im Netzwerk. „Alle von uns kritisierten Äußerungen sind mit Quellen belegt“, sagt Toni Schmitz.
Von der Meinungsfreiheit gedeckt
Die Schlussfolgerung des Berlin-Brandenburger Landesverbands: „Das Netzwerk ‚Gerechter Frieden‘ übt sich mit einseitiger Schuldzuweisung, fehlender Benennung von Kriegs- und Konfliktursachen, vorsätzlicher Desinformation und manipulativer Sprache in der Delegitimierung und Dämonisierung Israels.“ Die Wertung der belegten Statements und Vorfälle als antisemitisch ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt: „Der Bundessprecher*innenkreis sollte grundlegende demokratische Spielregeln wie Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit respektieren“.
Klagedrohung von Pax Christi
Von allen Organisationen im Netzwerk „Gerechter Frieden“ bestreitete nur eine einzige den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe im Text des Berlin-Brandenburger Landesvorstands: Am 6. März 2025 drohte Pax Christi mit einer Klage. Gerold König, der Bundesvorsitzende der katholischen Friedensorganisation forderte in einem Schreiben an die DFG-VK (hier als PDF) die Löschung einiger Passagen aus dem Text. Er behauptete, die Vorwürfe gegen seine Organisation seien „falsch und daher verleumderisch“, ohne dabei auf die im Text verlinkten Belege einzugehen. Zum Beispiel forderte Pax Christi am 16. Juli 2024 in einer Pressemitteilung „das sofortige Aussetzen des Assoziationsvertrags EU-Israel“ sowie „das Einfrieren jeglicher wissenschaftlichen […] Zusammenarbeit“ mit Israel. Der Landesvorstand Berlin-Brandenburg kritisierte, dass Pax Christi damit die wirtschaftliche und wissenschaftliche Isolierung Israels fordere. Gerold König schrieb dazu in seiner Klagedrohung: „Weiterhin wird behauptet, pax christi fordere eine wirtschaftliche und wissenschaftliche Isolierung Israels. […] Dies alles ist falsch und daher verleumderisch.“ Lustigerweise kopierte er die Links mit den Belegen für das obige Zitat und andere kritisierte Äußerungen Pax Christis in sein eigenes Schreiben. „Seit dieser Monate zurückliegenden, leeren Drohung haben wir von Pax Christi nichts mehr gehört“, sagt Toni Schmitz dazu.
Quelle für Pax Christis Forderung nach wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Isolierung Israels: https://web.archive.org/web/20250701180334/https://www.paxchristi.de/meldungen/view/5228296105099264/Stopp%20israelischer%20Landnahme%20im%20Westjordanland
Angriffe auf den Landesvorstand
Doch der Bundessprecher*innenkreis reagierte mit massiven Eingriffen in die Autonomie des Landesverbandes. Auf den Bundesausschüssen erwirkte er Resolutionen, die den Landesvorstand aufforderten, die Kritik an Antisemitismus zu unterlassen und Neuwahlen durchzuführen. Der Bundessprecher*innenkreis drohte in diesem Kontext bereits mit Ausschlussverfahren. Dem Berliner Landeskassierer sperrte der Bundessprecher*innenkreis sogar mit fadenscheinigen und rufschädigenden Begründungen den Zugang zum Konto des Landesverbands.
Landesvorstand Berlin-Brandenburg sucht vergeblich das Gespräch
Ausspracheversuche der Berliner auf dem Bundeskongress und dem Bundesausschuss sowie in mehreren E-Mails blieben erfolglos. Eine detailierte Chronologie zu den Bemühungen des Berliner Vorstandes gibt es hier:
„Nachdem der Bundessprecher*innenkreis für den Bundesausschuss am 6. Juli die Löschung unseres Begleittextes zur Kundgebung beantragte, haben wir ihn als Zeichen der Deeskalation sogar vor der Sitzung freiwillig von unserem Blog genommen“, schildert Toni Schmitz.
BSK schließt Landesvorstand aus
Statt sich inhaltlich mit der geäußerten Kritik aus dem langen Prozess seit Oktober 2024 zu beschäftigen, beschloss der Bundessprecher*innenkreis, den kompletten Berliner Vorstand mit Verweis auf dessen Kritik an Antisemitismus in der Friedensbewegung aus der DFG-VK auszuschließen.
Erster Ausschluss vollzogen
In einem am 3. August 2025 zugestellten Schreiben (hier als PDF) kündigte der Bundessprecher*innenkreis den Mitgliedern des Landesverbandes Berlin-Brandenburg den beabsichtigten Auschluss an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Ankündigung folgten bereits Taten: Am 14. August schloss der Bundessprecher*innenkreis das erste Mitglied des Landesvorstands Berlin-Brandenburg aus. Als Hintergrund für den Ausschluss nennt der Bundessprecher*innenkreis in seinem Schreiben den eben erwähnten Text über das Netzwerk „Gerechter Frieden“. Die Hinweise auf antisemitische Äußerungen in der Friedensbewegung seien angeblich „herabwürdigend“. Toni Schmitz sagt dazu: „Der Bundessprecher*innenkreis fängt die Begründung für die Ausschlüsse also mit einem Blogbeitrag an, den wir selbst mehr als einen Monat zuvor gelöscht hatten.“
BSK moniert 6 Monate alte Blogbeiträge
Der Landesvorstand Berlin-Brandenburg veröffentlichte rund um seine Gegenkundgebung im Februar 2025 neben dem erwähnten auch zwei kleinere und weniger beachtete Blogbeiträge, die den Bundessprecher*innenkreis jetzt wegen ihrer Kritik an Antisemitismus in der Friedensbewegung stören. Konkret stört den Bundessprecher*innenkreis der Satz: „Auf seiner Kundgebung schürt das Bündnis ‚Gerechter Frieden‘ Antisemitismus und Hass auf Israel.“ Laut Bundessprecher*innenkreis sei diese Äußerung „massiv verbandsschädigend“ und behindere die DFG-VK in ihrer „politische[n] Wirksamkeit“.
Politische Wirksamkeit?
„Was der DFG-VK wirklich in ihrer politischen Wirksamkeit schadet ist die Teilnahme an einem Bündnis, das die Verantwortung für den Nahostkonflikt auf dämonisierende Art und Weise alleine bei Israel sucht!“, sagt Toni Schmitz: „Unsere Kritik am Netzwerk ‚Gerechter Frieden‘ wollte auf den Bundesausschüssen der DFG-VK niemand hören. Auch nach der Veröffentlichung unseres Textes gab es null Bereitschaft für eine inhaltliche Diskussion. Das nennen wir verbandsschädigendes Verhalten!“
Dringlichkeit?
Der Bundessprecher*innenkreis erklärt in seinem Schreiben: „Wir beabsichtigen daher, Dich gemäß § Abs. 3 Satz 1 der Satzung der DFG-VK wegen verbandsschädigenden Verhaltens auszuschließen. Da ein dringlicher Fall vorliegt, ist laut § 5 Abs. 3 Punkt c) der Satzung der DFG-VK der BSK für den Ausschluss zuständig.“ Worin die Dringlichkeit bestehen soll, darüber hüllt sich der Bundessprecher*innenkreis in Schweigen. „Was für eine Dringlichkeit will man denn auch nachweisen, wenn es um Monate alte Blogbeiträge geht?“, fragt Toni Schmitz.
Den Landesvorstand wegputschen?
Was soll das also mit der Dringlichkeit? Der Grund dafür liegt in der Satzung der DFG-VK. Für den Ausschluss von Mitgliedern ist nicht der Bundessprecher*innenkreis zuständig, sondern die Ortsgruppen und Landesverbände. Nur in „dringlichen Fällen“ darf der Bundessprecher*innenkreis tätig werden. „Wir lernen: Wenn man die Dringlichkeit nicht nachweisen kann, dann behauptet man sie einfach“, sagt Toni Schmitz kopfschüttelnd: „So hebelt der Bundessprecher*innenkreis die demokratischen Grundprinzipien der Satzung der DFG-VK aus. Die Mitglieder des Landesverbands Berlin-Brandenburg haben ihren Vorstand demokratisch gewählt. Über ihre Köpfe hinweg will der Bundessprecher*innenkreis diesen Vorstand jetzt entfernen. Das verstößt massiv gegen demokratische Grundrechte.“
Klage angekündigt
Der Landesvorstand Berlin-Brandenburg fordert weiterhin eine inhaltliche Diskussion über Antisemitismus in der Friedensbewegung. Zum Schutz ihrer Rechte werden die Mitglieder des Landesvorstandes vor Gericht gegen die rechtswidrigen Ausschlüsse vorgehen. Dem Bundessprecher*innenkreis gibt Toni Schmitz folgendes mit: „Lieber Bundessprecher*innenkreis, es ist noch nicht zu spät, zur Besinnung zu kommen und sinnlose Gerichtsausgaben zu Lasten der Verbandsmitglieder zu vermeiden. Warum wollt ihr mit dem IS verhandeln, aber nicht mit uns? Diskutiert mit uns über Antisemitismus anstatt ihn zu leugnen! Das würde den Verband und seine politischen Ziele wirklich weiterbringen.“
Weitere Infos
Eine umfassende Chronolgie des Streites:
Chronologie des Streites um Antisemitismus und das Netzwerk „Gerechten Frieden“
Unsere Kritik am Netzwerk „Gerechter Frieden“:
Zweite Auflage: Gegen jeden Antisemitismus! Warum wir am 15.2. gegen das Netzwerk „Gerechter Frieden“ demonstrieren (im Wayback-Archiv)
Der Bundessprecher*innenkreis sperrt unserem Landeskassierer den Zugriff auf unser Konto:
Willkürliche Kontosperre: Bundesverband der DFG-VK blockiert unseren Landesverband
Das Schreiben des Bundessprecher*innenkreises zum Ausschlussverfahren:
ausschluss_schreiben.pdf
Die Satzung der DFG-VK:
https://dfg-vk.de/satzung-der-dfg-vk/